Nachgefragt – Interview

Ramona von Kallimagie hat nachgefragt.
14 Fragen hat sie mir gestellt, um mich – hinter Federfein – kennzulernen.
Na? Neugierig geworden?


Nachgefragt ist eine Interviewreihe mit anderen KalligrafInnen.
Ich finde es selbst sehr inspirierend, mich mit KollegInnen auszutauschen, einen Einblick in ihre Arbeitweise und Motivation zu erhalten.

Federfein ist mir das erste mal in einer Facebookgruppe aufgefallen. Mich spricht die Kombination von Aquarellzeichnungen und feiner Kalligrafie in ihren Arbeiten an.

Cindy Schullerer, aka Federfein, * 1983, ist Mediendesignerin, Autorin und Kalligraphin. 
Die Kunst des Schönschreibens betreibt sie mit Feder, Pinsel und Stift sowie allen anderen Werkzeugen, die sich für die Buchstabenmalerei „zweckentfremden“ lassen. 
„Kalligraphie“ schreibt sie aus Prinzip mit „ph“.

Liebe Cindy, danke für das Interview!
Ramona Weyde, Kallimagie

Kalligrafisch

Wie kam Kalligrafie in dein Leben?
Ich selber kann mich daran erinnern, dass mich Buchstaben von jeher fasziniert haben. Mein Vater erzählte mir, dass ich bereits mit 3 Jahren Buchstaben an die Tapete gemalt habe. Mit 12 Jahren hat er mir meine erste Kalligraphiefeder sowie schwarze Tusche geschenkt. Eine schwarz gefärbte Gänsefeder mit Globus und Spitzfeder. Diese ist leider sehr schnell wieder in der Ecke gelandet. Damals hat es kaum Bücher zu dem Thema gegeben und das Internet hatte noch seine Kinderschuhe an, da gab es nichts zu recherchieren (stellt euch vor). Da war es wohl kein Wunder, dass die Feder gekratzt und die Tinte gekleckst hat. Es ist sehr frustrierend gewesen. Also habe ich weiterhin mit der Füllfeder und dem Fineliner „schön geschrieben.“

Was bedeutet Kalligrafie für dich?
Buchstaben mit ganzer Seele zu fühlen.

Wenn du nur mit drei deiner Schreibwerkszeuge arbeiten dürftest,
welche wären das?

Ich schätze jedes einzelne Schreibwerkzeug, welches bei mir ein Zuhause gefunden hat. Ich entscheide aus dem Bauch heraus, mit welchem Werkzeug ich schreiben möchte. So fällt mir die Antwort daher schwer. Auf jeden Fall möchte ich niemals meine ganz normale Füllfeder, meinen Bleistift und einen Wassertank-Pinsel missen.

Wie kommst du am besten in einen kreativen Schaffensmodus?
Und wie schaffst du es, aus einer Schaffensblockade rauszukommen?

Frisch gebrühter Kaffee, schwarz und ungesüßt, ein Stück Schokolade (oder zwei, oder drei) und heroische, orchestrale Musik. Zurücklehnen, atmen, in mich hineinfühlen und schon fließt die Kreativität.
Bei einer Blockade muss ich mich fragen, welches Chaos im Kopf herrscht. Da kann das innere Gefühl nicht für sich sprechen. Es ist wichtig, inne zu halten, den Kopf frei zubekommen, den Standpunkt zu verändern und neue Perspektiven zu entdecken. Ist das Chaos gelöst, hat die Kreativität auch wieder Raum.
Und wenn alles nichts hilft? Zurücklehnen, Beine hoch lagern und das Leben einmal Leben sein lassen. Gespräche führen oder ein gutes Buch lesen und einfach loslassen 🙂

Woher bekommst du deine Ideen/was inspiriert dich?
Der Alltag an sich kann sehr inspirierend für mich sein. Wenn ich einen offenen Blick behalte, mit meiner Phantasie spiele, kann ich überall neue Ideen finden. Ich beobachte gerne Menschen und Situationen. Aber auch Bücher, die ich gerade lese oder Dokumentationen können mich sehr inspirieren. Wenn ich schreiben möchte (oder oftmals in Kombination mit Aquarellzeichnungen) und mir partout nichts einfällt, dann sortiere ich meine Farben, Federn und Papiere. Das ist meditativ und führt weg von ausgetrampelten Gedankenpfaden.

Welche Texte und inhaltliche Schwerpunkte finden in deine Arbeit?
(Musik, Lyrik, Zeitgeschehen, spirituelle Texte…)

Ich finde die Worte alter Gelehrter sowie auch moderner Lyriker sehr inspirierend. Aber auch lustige Meldungen im Social-Media können den Funken entzünden, diese Meinung künstlerisch zu untermalen. Auf jeden Fall ist es mir sehr wichtig, gerade auch zu diesen Zeiten, positive Botschaften in meinen Schriftwerken zu verbreiten.

An welchen Projekten arbeitest du gerade?
Was beschäftigt dich?

Die letzten Monate habe ich an über 40 Exponaten gearbeitet, die bis Mitte Juli in einem großen Therapiezentrum für Kinder, Jugendliche und deren Familien ausgestellt werden. Das ist eine Arbeit gewesen, in die ich sehr viel Zeit und Herzblut hineingesteckt habe. Aktuell bearbeite ich kalligraphische Auftragsarbeiten wie Schrift-Bildwerke oder Hochzeitskalligraphie.

Persönlich

Was ist für dich kleines Glück?
Abends mit dem Gedanken einzuschlafen, etwas Produktives geschaffen zu haben und morgens mit der Freude aufzuwachen, einen Tag voller Möglichkeiten und Perspektiven vor sich zu haben.

Hast du ein Morgenritual?
Ein liebevoller Kuss, in die Augen meiner Liebsten zu schauen und frisch gekochter, schwarzer Kaffee – dann kann das tägliche Leben beginnen.

Wie entschleunigst du deinen Alltag?
Wobei entspannst du dich?

Entschleunigung finde ich am besten, wenn ich immer mal wieder inne halte, bewusst meine Umgebung wahrnehme und mich selber etwas zurücknehme. So kann ich auch Kraft für neuen Anlauf tanken.
Entspannungsarten gibt es viele. Es kommt immer auf den Kontext an. In der Natur Bogenschießen zu gehen, mich auf mein Ziel zu fokussieren, ist sehr entspannend. Natürlich auch Schreiben und Malen. Gute und interessante Gespräche zu führen stehen auf meiner Liste auch ganz oben. Die alltägliche Entspannung nach einem anstrengenden Arbeitstag kommt aber mit dem Essen – ich werde täglich kulinarisch verwöhnt. Und dann kann ich den Tag auf der Couch mit einem guten Buch ausklingen lassen. Ja, das ist Entspannung pur.

Welches Buch hat dich als letztes berührt?
„Die Begegnung“ von Andy Andrews: Manchmal muss man die Dinge nur ein bisschen anders sehen.
Hier sind wunderbare Lebens-Perspektiven auf den Punkt gebracht und in spannende Kurzgeschichten verpackt. Ein tiefgründiges Buch, leicht geschrieben, welches zum Nachdenken anregt. Prädikat: Sehr lesenswert.

Führst du ein Skizzenbuch/Tagebuch/Journal?
Wenn ja, was nutzt du dafür, wie sieht es aus und wie bewegst du dich darin?

Ich kaufe permanent schöne Notizhefte, wenn das Papier „streichelglatt“ ist. Letztlich horte ich diese aber nur oder verschenke sie. Ich könnte schon selbst einen kleinen Laden eröffnen. Ich trage Skizzenbücher ungerne mit mir herum. Ich mag keine Knicke und Eselsohren. Und das passiert nun mal in Taschen.
Aber ich habe einen stabilen Jahresplaner von Leuchtturm1917. Das Papier ist toll und vielseitig. Die vergangenen Kalendertage, wo noch Platz ist, werden zum Skizzieren oder kalligraphieren für unterwegs genutzt. So habe ich einen Jahresrückblick der besonderen Art: ein kunterbuntes Buch mit Zeichnungen, Schriften, Alphabeten und Sprüchen.

Perspektivisch

Was rätst du jemandem, der mit Kalligrafie anfangen möchte?
Wo beginne ich, wie nähere ich mich dem Thema?

In dem Begriff Kalligraphie verstecken sich so viele Arten, sich in und mit der Schrift auszudrücken. Irrtümlich wird das trendige Hand- und Brushlettering auch als Kalligraphie bezeichnet. Ich würde empfehlen, dich zuerst mit einer dieser Kategorien zu befassen. Zu eruieren, wohin treibt es dich am ehesten? Welcher Stil sagt dir zu? Nicht jeder Stil ist auch für jede Persönlichkeit gleich geeignet. Heutzutage gibt es im Internet viele gute Seiten, auf denen informiert wird und man sich viele Beispiele anschauen kann.

Dann würde ich raten, nur eine kleine handvoll ausgewählter und qualitativ hochwertiger Materialien zu besorgen und diese auszutesten. Ist einmal der Funke entfacht, kann die Kalligraphie zur Leidenschaft werden, welche oftmals auch im Geldtascherl Leiden schafft.

 Dann sind natürlich auch die Basisübungen das A und O, um sich positiv entwickeln und entfalten zu können. Oftmals werden Schritte viel zu hastig übersprungen und die Enttäuschung folgt stante pede. Kalligraphie wird wie in Zeitlupe ausgeübt. So sollten auch die Übungen umgesetzt werden.
Es gibt vielerlei Arten, etwas Neues zu lernen: durch den Besuch von Kursen, durch das Studieren von Fachliteratur sowie Videos und dann selbstverständlich durch das Ausprobieren. Im Gegensatz zu früher gibt es heutzutage unendlich viele Möglichkeiten.

Zu beachten ist: Entwicklungen erfolgen schrittweise. Jeder sollte sich auch selbst die Zeit nehmen, sich mit dem Material und dem Umgang damit vertraut zu machen. Vollkommenheit kommt nicht von einmal oder zehnmal schreiben und ausprobieren. Vollkommenheit kann nur erlangt werden mit Disziplin, innerer Ruhe und wenn man mit Freude tausendfach, ach was, millionenfach schreibt. In der analogen Photographie gibt es eine Faustregel: Die ersten zehntausend Fotos sind Schnappschüsse, danach werden nach und nach Profibilder folgen. Ich sehe es mit der Kalligraphie genauso.

Mein Tipp: Wenn ich mich mit einem neuen Werkzeug der Kalligraphie vertraut mache, notiere ich mir meine Erfahrungen. Angefangen von den Reaktionen der Werkzeuge mit den jeweiligen Papieren und Farbträgern bis hin zu Körperhaltung und Handführung. So trage ich nach und nach meine Informationen zusammen, die ich in den allgemeinen Fachbüchern oftmals nicht lesen kann. Deshalb habe ich ein Beginner-Script für die Copperplate-Kalligraphie geschrieben, welches mit Insider-Wissen und persönlichen Erfahrungen gespickt ist.

Kalligrafie im 21. Jahrhundert: Wohin entwickelt sie sich?
Welche Bedeutung hat sie?

Ich empfinde das 21. Jahrhundert als Renaissance des Handwerks. Im digitalen Zeitalter, in dem wirklich schon fast alles mit Smartphone & Co erledigt wird, bemerke ich bei immer mehr Menschen die Sehnsucht nach etwas Traditionellem, nach etwas, das schon über lange Zeit Bestand hat und nun wieder zurück in unseren Fokus rückt. In meiner Agentur für Design und Kalligraphie bekomme ich seit einiger Zeit immer mehr Anfragen nach von Hand gestaltetem Design. Es geht nicht mehr nur um computerbasierte Perfektion. Die Menschen wünschen sich wieder mehr Persönlichkeit und Charakter. Ob es nun um Logos, Drucksorten, Webauftritte oder die ganz persönliche Einladung zum Geburtstag oder zur Hochzeit geht – das Handwerk wird endlich wieder mehr durch die Hand bestimmt. Back to the roots!